© aprile consulting GmbH/canva.com/
Welcher Vertriebsleiter oder welche Vertriebsleiterin kennt folgende Situation nicht? Ein potenzieller Werbekunde ruft im Funkhaus an und bittet um Informationen oder Angebotsunterlagen und erwähnt dabei, dass er die Anfrage einige Tage zuvor schon einmal per E-Mail gestellt hatte, aber bisher leider keine Antwort erhalten habe.
Nun geht die Suche nach dem oder der „Schuldigen“ los. Wer hat die ursprüngliche Anfrage entgegengenommen und dann nicht bearbeitet? Meist stellt sich dann heraus, dass der Innendienst die Anfrage ordnungsgemäß an den vermeintlich zuständigen Außendienstkollegen bzw. die Kollegin weitergeleitet hat, die betreffende Person aber noch keine Zeit hatte, die Anfrage zu beantworten.
Niemand aus dem Team hat bewusst schlampig gearbeitet oder Umsatzpotenzial wissentlich vergeudet. Aber natürlich wurde in dieser Situation nicht zufriedenstellend gearbeitet. Wie viele potenzielle Neukunden sind auf solche Art bereits verlorengegangen? Welche Anfragen auf der Website, am Empfang, am Telefon oder per Mail wurden zwar im Sender „registriert“, mündeten aber nie in eine vertrauensvolle Kundenbeziehung?
Auch wenn Vertriebsteams per se immer an neuem Umsatz interessiert und deshalb dienstleistungsorientiert arbeiten sollten, könnte es sich trotzdem lohnen, speziell das Verhältnis zwischen Innen- und Außendienst und die Workflows zwischen diesen Abteilungen bzw. Mitarbeitenden genauer unter die Lupe zu nehmen.
Wer hat welche Aufgaben?
Viele Mitarbeitende im Innendienst sehen ihre Aufgabe darin, das Telefon zu bedienen, E-Mail-Anfragen an die Außendienstkolleginnen und -kollegen weiterzuleiten, für diese auf Abruf Angebote zu schreiben, Marktforschungsberichte auszuwerten, Pläne zu zählen, ma-Daten aufzubereiten und ähnliches. Kurz: Dem viel „wichtigeren“ Außendienst den Rücken freizuhalten.
Diese veraltete Einschätzung und Arbeitsteilung hemmt jedoch Entwicklungspotenziale der Mitarbeitenden und vergeudet Umsatzpotenziale für den Vertrieb und das Funkhaus. Heutzutage sollte sich das volle Potenzial aller Teammitglieder im Vertrieb entfalten können. Fachkräftemangel, hohe Kundenerwartungen und Umsatzdruck lassen gar keine andere Strategie mehr zu. Der Innendienst ist Teil des Vertriebs und kann sehr aktiv mitarbeiten.
Die Voraussetzungen dafür müssen allerdings oft erst geschaffen bzw. wechselseitige Einschätzungen und Erwartungshaltungen geklärt und angepasst werden. Denn erfahrungsgemäß sind Außendienstmitarbeitende, die schon lange im Geschäft sind, vielfach der Meinung, dass sie selbst die einzigen sind, die das Verkaufen beherrschen. Mögliches Engagement des Innendienstes bei „ihren“ Kunden würden sie sogar als Einmischung empfinden. Und so manche Innendienstbeschäftigten befürchten vermutlich, dass sie dem Außendienst in die Quere kommen, den Kundinnen und Kunden lästig sein oder ihre sonstigen Aufgaben nicht mehr schaffen könnten.
Klarheit schaffen
Die Aufgabe der Vertriebsleitung ist es deshalb, klarzustellen, dass alle im Team gleichermaßen für die Kundenzufriedenheit und die Umsätze verantwortlich sind. In unterschiedlichen Ausprägungen zwar. Aber so, dass jedes Teammitglied von seiner jeweiligen Position aus eine positive Wirkung entfalten und dass man gemeinsam mehr Umsatz erreichen kann. Diese Einstellung sollte von allen gefördert und gefordert werden.
Im anfangs genannten Beispiel hätte der oder die betreffende Innendienstmitarbeitende vor oder parallel zur Weiterleitung der Anfrage an den Außendienst ein freundliches Gespräch mit dem bzw. der Interessentin führen, erste Fragen klären und über das weitere Vorgehen informieren können. Auf diese Weise fühlt sich der potenzielle Kunde und die potenzielle Kundin von Anfang an ernst genommen und wertgeschätzt. Selbst wenn der Innendienst die Anfrage nicht komplett beantworten kann, ist das an diesem Punkt der „Customer Journey“ unproblematisch. Der oder die Interessentin weiß nun, dass eine Antwort schnell folgen wird. Und intern kann das Innendienstteam im nächsten Schritt klären, wie die weitere Vorgehensweise sein soll. Hat der zuständige Kollege oder die Kollegin im Außendienst kurzfristig Zeit für eine Kontaktaufnahme? Oder bleibt der Kontakt vorübergehend beim Innendienst?
Solche internen Absprachen sollten täglich, z. B. in einem kurzen Morgenmeeting, erfolgen, egal ob virtuell oder persönlich. Die Nutzung eines gemeinsamen CRM-Systems sollte sowieso selbstverständlich sein.
Upselling-Potenziale heben
Nicht nur in die Bearbeitung von Leads sollte der Innendienst aktiv involviert werden. Gerade im Bereich Upselling bieten sich enorme Chancen, wenn die Kolleginnen und Kollegen aus den Bereichen Assistenz, Disposition oder Mediaservice ihr oft großes Wissen über Werbetreibende und das eigene Unternehmen zum Verkauf von zusätzlichen Produkten und Dienstleistungen einsetzen. Folgende Beispiele zeigen das:
- Die Dispo kennt alle Kampagnen der Kunden und erkennt sofort, wenn nur noch wenige Zubuchungen die werbetreibende Firma in eine nächste Rabattstufe heben können. Das Campaign Management kann dies im nächsten Telefonat mit dem Kunden thematisieren und passende neue Angebote vorschlagen.
- Die Assistenz des Außendienstes hat von der Assistenz des Kunden erfahren, dass die gewohnte Ansprechperson aufgrund eines Filialumbaus derzeit schlecht erreichbar ist. Sie kann diese Information dazu nutzen, Hilfe bei einer möglichen Werbekampagne zur Wiedereröffnung anzubieten.
- Der Mediaservice hat für ein Teammitglied im Außendienst eine Branchenanalyse vorgenommen und dabei festgestellt, dass ein bestimmtes Werbeprodukt/paket für diese Branche besonders werbewirksam ist. Spätestens im nächsten Sales-Meeting sollten diese Information alle Teammitglieder erfahren, um das entsprechende Produkt/Paket auch anderen Kunden aus dieser Branche anbieten zu können.
Wertschätzung erfahren
Gerade weil die Innendienstteams so viel zum gemeinsamen Erfolg und zur Kundenzufriedenheit beitragen können, sollten sie auch am Provisions- und Bonussystem des Funkhauses/Senders teilhaben. Alle in der Vertriebsabteilung arbeiten an den gemeinsamen (Umsatz-)zielen und alle profitieren davon. Der Ausgestaltung sind hier keine Grenzen gesetzt. Ein gutes System macht die Wertigkeit jedes einzelnen Teammitglieds für das gemeinsame Ganze deutlich.
Wer sein Vertriebsteam so aufstellt bzw. umbaut, ist auch für die Herausforderungen durch den Fachkräftemangel besser gerüstet. Meiner Erfahrung nach gibt es bei den Radiosendern im Außendienst eine höhere Personalfluktuation als im Innendienst. Ein selbständiger, aktiv und produktiv in den Vertrieb eingebundener Innendienst kann dieses Defizit zumindest ein Stück weit abfedern. Und Mitarbeitende im Außendienst fühlen sich gut aufgehoben und unterstützt, wenn sie ein tolles Innendienstteam neben sich wissen, das am „gleichen Umsatzstrang“ zieht.
Ihre Andrea Anders
Lesen Sie hier mehr über unsere Autorinnen und Autoren
Diese Beiträge könnten Sie interessieren