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Alle, die Radiowerbung verkaufen oder einkaufen, kennen die heutige Preisgestaltung, zumindest wenn sie in der DACH-Region aktiv sind:

Die Sekunden für Radiospots auf UKW- und DAB+-Sendern werden je nach der dahintersteckenden Reichweite – also der Zahl der Hörerinnen und Hörer – in den unterschiedlichen Stunden bepreist. Als Basis dienen die Ergebnisse verschiedener marktrelevanter Studien wie der ma Audio oder der Funkanalyse.

Bei vielen Sendern variiert der Stundenpreis zwar noch je nach Wochentag, weil beispielsweise montags bis freitags früher als an Samstagen oder Sonntagen aufgestanden und somit auch Radio gehört wird. Aber der Faktor Nachfragewird nur bei einem Teil der Sender insofern bei der Preisgestaltung berücksichtigt, in dem erfahrungsgemäß nachfragestärkere Monate mit einem Aufschlag bzw. umgekehrt nachfrageschwache Monate mit einem Abschlag versehen werden. Aber im Grunde arbeitet man mit recht starren Preislisten und alle Marktpartner wissen bereits heute, was ein 20 Sekunden langer Hörfunkspot auf Sender X oder Y am 15. Dezember oder jedem anderen Tag im Jahr kosten wird.

 

Aus Sicht der Werbetreibenden und ihrer Agenturen erleichtert dies eine Budgetverteilung über das ganze Jahr.

Aus Sicht der Publisher ist dies nicht mehr die beste Möglichkeit, ihr Inventar an die Märkte zu bringen. Stattdessen sollten moderne Methoden für eine Preisgestaltung nach Angebot und Nachfrage zur Optimierung eingesetzt werden.

 

Yield Management ist eine Methode des Revenue Managements, die von Unternehmen angewendet wird, um den Preis für ein Produkt oder eine Dienstleistung zu optimieren, um den Gewinn zu maximieren. Yield Management ist besonders in der Hotel- und Flugbranche sowie im Veranstaltungswesen und im Einzelhandel verbreitet.

Das Ziel ist, die Kapazität eines Produkts oder einer Dienstleistung optimal auszulasten, indem der Preis angepasst wird. Das bedeutet, dass Unternehmen ihre Preise in Echtzeit anpassen, um ihre Kapazität zu maximieren und gleichzeitig ihre Gewinnmargen zu erhöhen. Dabei spielen Faktoren wie Nachfrage, saisonale Schwankungen, Konkurrenzpreise und interne Kosten eine Rolle.

Ein bekanntes Beispiel für Yield Management ist die Preisgestaltung von Fluggesellschaften, die ihre Flugtickets je nach Auslastung und Zeitpunkt des Kaufs unterschiedlich bepreisen. So können Tickets für denselben Flug an unterschiedlichen Tagen oder zu unterschiedlichen Zeiten unterschiedliche Preise haben.

Insgesamt hilft Yield Management Unternehmen dabei, ihre Umsätze und Gewinne zu maximieren. Nämlich indem sie ihre Preise dynamisch anpassen, um ihre Kapazitäten optimal auszunutzen und gleichzeitig eine Nachfragesteuerung zu ermöglichen.

 

Yield Management wird in vielen Ländern weltweit im Radio eingesetzt, insbesondere in den USA und Kanada, wo das etablierte Praxis ist. Aber auch in anderen Ländern wird es im Radio immer mehr angewendet.

Viele Radiosender verwenden fortschrittliche Technologien und Datenanalyse-Tools, um ihre Werbeplätze zu optimieren und ihren Werbekunden dynamische Preisstrukturen anzubieten. Einige der größten Radiosender in den USA wie iHeartMedia, Entercom und Cumulus Media nutzen Yield Management-Strategien, um ihre Werbeeinnahmen zu maximieren.

 

Auch in Kanada ist Yield Management im Radio weit verbreitet. Die Canadian Broadcast Sales (CBS), die führende Verkaufsorganisation für Radiowerbung in Kanada, bietet Werbetreibenden eine Vielzahl von Preisoptionen für ihre Radiospots an, einschließlich Paketangeboten und Preisgestaltung basierend auf der Tageszeit und der Nachfrage.

In Europa wird Yield Management im Radio noch nicht so weit verbreitet angewandt wie in Nordamerika. Einige Radiosender in Großbritannien haben jedoch begonnen, diese Strategien einzusetzen, um ihre Werbekapazitäten besser auszulasten und ihre Einnahmen zu maximieren.

Insgesamt wird diese Art der Preisgestaltung im Radio weltweit immer mehr zum Standard, da es Radiosendern dabei hilft, ihre Werbeplätze effizienter zu vermarkten und ihre Einnahmen zu maximieren, indem sie ihre Preise dynamisch anpassen und ihre Werbekapazitäten optimal ausnutzen.

 

 

Genau diese Methode einer dynamischen Preisgestaltung sollten auch Radiopublisher in Deutschland, Österreich und der Schweiz anwenden. Nicht nur die berühmte Black Friday-Woche ist dafür bekannt, dass sie eine hohe Nachfrage produziert. Für jeden einzelnen Publisher gibt es umfangreiche Faktoren, die Angebot und Nachfrage für seine jeweiligen Produkte definieren: Wettbewerbssituation, Reichweiten, Verfügbarkeit, Wirtschaftssituation allgemein und speziell im Sendegebiet. Lokale Events, regionale Feiertage, besondere programmliche Umfelder und Promotions und sogar das Wetter sind manchmal von Relevanz. Auch die eigene Vertriebsmannschaftsstärke, deren Beratungskompetenz und damit die Qualität der Lösungen für Werbekunden können eine Rolle spielen.

 

Die Menge der Faktoren, die für eine optimale Preisgestaltung berücksichtigt werden müssen, zeigt klar, dass geeignete digitale Tools zur laufenden Daten-Analyse eingesetzt werden sollten. Menschen können diese ständige Optimierung der Preise nicht mehr „per Hand“ leisten. Radiovermarkter in anderen Ländern nutzen dafür längst Technologien, die sie dabei unterstützen. Dabei kommen auch die besonderen Möglichkeiten der Künstlichen Intelligenz wie zum Beispiel Maschinelles Lernen zum Einsatz.

 

Es wird nun auch für Radiovermarkter in Deutschland, Österreich und der Schweiz Zeit, sich diesem Thema zu widmen und ihre Inventare möglichst gewinnmaximierend an die Märkte zu bringen.

 

Was sollte bei der Umsetzung berücksichtigt werden?

 

  1. Verständnis und Zustimmung für die Strategie
    „Dynamic Pricing“ wird die Art und Weise, wie Sie bisher verkauft haben, radikal verändern. Daher müssen im ersten Schritt alle Ihre Stakeholder vom Gesellschafter bis zum Beratungsteam den Wert und die Wirkung von dynamischen Preisen auf die Umsätze wirklich verstehen. Konkrete Beispiele helfen bei der Vermittlung dieser neuen Verkaufs-Strategie.

  2. Passende technische Lösung
    Wählen Sie mit Sorgfalt eine passende Technologie-Plattform aus, die mit Ihrem Werbemanagement-System interagieren kann. Die jeweils aktuelle Auslastung Ihrer Werbeblöcke spielt dabei eine große Rolle. Mit Excel-Tabellen lässt sich in diesem Bereich nicht mehr arbeiten. Sie verhindern Skalierbarkeit und Effizienz.

  3. Daten, Daten, Daten
    Saubere Daten aus der Vergangenheit sind zum „Füttern“ der Technologie nötig, um fundierte Empfehlungen für die Preise von morgen vorschlagen zu können. Darüber hinaus sollte ein Lernphase für Ihr Team eingeplant werden, um sich mit der Arbeitsweise solcher Technologien vertraut zu machen, Fehlentwicklungen zu korrigieren und auf Sicht den Preisempfehlungen vertrauen zu lernen. 
  4. Vorgaben für das System
    Preisliche Ausschläge nach oben (capping) oder unten (minimal floor price) können begrenzt werden. Auch die Intervalle, in denen sich Preise ändern, können definiert werden.

  5. Markteinführung
    Eine Argumentationslinie gegenüber Werbekunden und deren Mediaagenturen muss frühzeitig entwickelt, geschult und angewendet werden. Langjährige Kunden haben bestimmte Preiserwartungen und Preiserfahrungen. Welche Veränderungen ergeben sich durch dynamisches Pricing für sie und wie kann erläutert werden, warum der Faktor Nachfrage für den langfristigen Erhalt der Geschäftsbeziehung zukünftig von Ihnen bei den Spotpreise berücksichtigt werden muss?
    Auch für Neukunden sollte es eine geeignete Argumentationslinie geben. Und last but not least sollte der formale Einkaufsakt (Angebotsanforderung, Auftragsvergabe, Auftragsbestätigung, Preisänderungen bei Verschiebungen, Storni usw.) für Werbetreibende und ihre Agenturen so einfach und automatisiert wie möglich erfolgen können. Schließlich kann die Agentur beispielsweise bei der Verschiebung einer Werbekampagne zur Neueinführung eines Produktes, das vielleicht 4 Wochen später als geplant auf den Markt kommt, nicht mehr davon ausgehen, dass der Preis für die Kampagne derselbe bleiben wird. Auch eine Budgetplanung eines Werbekunden über mehrere Monate ist nicht mehr einfach anhand einer fixen Preisliste, die im Netz zu finden ist, zu erledigen.
    Eine gemeinsame Vorgehensweise im Markt würde die Einführung von dynamischen Preisen im UKW-Markt
    eventuell begünstigen, aber eine schnelle Umsetzung für die eigene Sendergruppe eher verhindern.

 

Ihre Andrea Anders

 

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